Das Prekariat verplempert seine Stimulanzien

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Eigentlich müssten man meinen, dass sich die allgegenwärtigen Massendefekte langsam aus der Gesellschaft ausschleichen. Zumindest stellt man sich das so vor, wenn man von der sozialen Spaltung der Gesellschaft in viele diversifizierte sozialpolitische Gruppierungen spricht. Wenn man damit meint, dass es nicht nur die Rocker und Popper gibt. Nicht nur die Hip-Hopper und Skater, sondern, dass inzwischen alles gleichzeitig (auch Retrograd wieder erweckte Stile und Interessen) exisitieren dürfen. Wer nimmt noch am Mainstream teil?

Das "dürfen" ist das besondere. Denn wo früher ein Klassen und Gruppenzusammenhalt wichtig für den einzelnen Fisch im Schwarm war (in der Schule, auf dem Bolzplatz, in der Universität, in der Partei), ist es doch heute bereits mit viel weniger Gleichgeschalteten legitim und bedarf weniger exististenzieller Begründungen. Es ist inzwischen alles nebeneinander möglich.

Das ist nur eine These und die lasse ich mal auf meinem Gefühl beruhen, und füge noch hinzu, dass ich behaupte, die Entfernung der einzelnen Subkulturen untereinander hängt mit ihrer Steigerung an Kompetenz zusammen. Darunter fällt:

  • Organisation
    Internetkommunikation, Erreichbarkeit, Absprachen
  • Identifikation
    Gestaltung und Mediale Reproduktion, Verfügbarkeit der Mittel
  • Definition
    Abgrenzung, Fixierung oder Progression der Philosophie mit Hilfe der. o.g. Mittel

Diese Aspekte sind natürlich nicht neu aber wenn man sich die mal mit Innovationslehre auseinandergesetzt hat, oder im speziellen mit der Disruptiven Innovation, wie sie Clayton Christensen, sehr schön hier in Oxford vorträgt, von fefe empfohlen - dann wird einem klar, dass Steigerung der Kompetenz nur eine Frage der Zeit sein kann. Und dass die Subkulturen, in Claytons Besispiel die äußeren Ringe, langsam die Fähigkeiten bekommen, die nur dem Mainstream vorbehalten war.

Henoth, was bedeutet das, werdet ihr fragen, und worauf willst du hinaus, wenn nicht schließlich der fieseste offenbar werdende Massendefekt doch direkt vor deiner Haustür stattfindet, Henoth, sprich darüber!
Und ja, es finden Massendefekte allerhand und insbesondere vor meiner Haustüre statt, allein deswegen, weil ich wenig aus Massendefekten ziehen kann, ich also nur wenige in mein Haus lasse.

Der Karneval ist sicherlich ein starker und beliebter Vertreter, aber lange nicht der Schlimmste! Worauf ich heute mit Zorn und mit pixeligem Mauszeiger deute ist der Sportfanatismus und im genuaen, der, der sich bereits wieder vom Sport weg entwickelt hat, weil es zu ihm bereits wenig polarisiert. Und das nicht weil mir die Dobermanndogge eines Schalke-Fans vor die Haustür gekackt hat, sondern weil der Kioskforscher mal wieder aktiv war und einen Artikel über eine Zeitschrift aus der Ultra-Szene schreibt. 

Es ist ja wichtig für die Kurve, dass es ein paar Leute gibt, die wissen was in der Welt läuft.” - Herr Otto

Dass sich diese Szene mit einer Zeitschrift reflektiert ist auch Zeichen der  o.g. Diffusion von Kompetenzen in Bereiche, die vor einigen Jahren unvereinbar waren mit solchen Eigenschaften. Interessant auch deshalb, weil sich besonders diese Szene ja dadaurch auszeichnet, besonders stumpf, hirnlos und ignorant zu sein, was um sie herum eigentlich passiert.


Dazu der Plattenrichter: Die Idee der Reflektion passt nicht. Das ist so, als wuerde jemand hingehen und dokumentieren, an welchen Ecken im Karneval am meisten gekotzt wird: "der rudolfplatz war natuerlich wieder heiß mit 20 straßenpizzen um 11:30 / gegen 18 uhr gabs immer noch live action an der zuelpicher. - Klar, die leute waren voll bis oben.
Ich denk mir ok, wenn du so ein Proletarier bist, dann ist das eben so. Aber wenn doch der Wunsch zur Reflektion einsetzt, warum muss man das hochstilisieren? Kann man dann nicht einsehen, wie scheisse das ist?

Um Einsicht geht es ja garnicht. Es geht letztlich nichtmal um etwas wirklich greifbares oder etwas womit man einen Almanach füllen könnte, wie es die Stadionhopper tun. Man muss sich doch wirklich fragen, welchen Nervenstrang der Fanatismus bedient, der sonst nicht befriedigt wird.

Für viele Fans ist Groundhopping weit mehr als nur ein Hobby. Nicht wenige ordnen ihm ihr ganzes Leben unter. Sie haben keine anderen Hobbys, keinen Lebenspartner, keinen festen Job und wohnen bei den Eltern, um Geld zu sparen. Manche nehmen Kredite auf, um die aufwendigen Touren finanzieren zu können - wiki

Wenn wir also sehen, dass der Mainstream als solches in Subkulturen zerfällt, die sich slebt nicht mehr durch harte Gefühle abgrenzen wollen (z.B. Gewalt oder Angst) dann bildet sich andernorts automatisch wieder eine Gruppe Unzufriedender. Wie kann man sich noch abgrenzen, wenn alles andere erlaubt ist? / alles andere weich ist? Da hilft immer nur Hardlining!

In einem Klima, in dem viele Menschen zusammentreten (Stadion, Stadtfeste, Konzerte, usw) ist es ein leichtes sich der gesichtslosen Masse anzuschließen, damit vorgebliche Identifikation gedeckelt, um ein Gefühl zu stillen, welches scheinbar tief verwurzelt in den Hirnstämmen ist.
 Dann sehe ich diese Richtung der Interessengemeinschaft  als soziale Verhärtung, als Gegenpol und harten Effekt entgegen der diffus scheinenden Masse.

Klar, mann muss neue Grenzen übertreten. "Sich spüren" heisst ja erstmal nur, dass man sehr stark auf die Fresse gehauen bekommt. Und diese mega-hirnlosen Proles haben neben ihrem physischen (körperlichen) Einfluss auf ihre Umwelt nicht viel mehr zu bieten. Wie der Herausgeber der o.g. Zeitschrift selbst zugibt,

"Wir haben oft den Vorwurf gehört, wir seien Studenten und im Heft sei Universitätsgelaber, da wären Texte dabei, bei denen man die Hälfte der Wörter nachschlagen muss." - Herr Otto

Und scheinbar ist das Gefühl, das erzeugt wird, wenn sehr große Menschenmassen zusammentreten ein sehr wichtiges für diese Gruppe von Personen (--> "Waaaagh!-Effekt"). Ich möchte einen Gehirntomographen in der Südkurve aufstellen und einen Fan scannen, um den Teil des Gehirns auszumachen, der für die geistige Umnachtung verantwortlich ist.

Böse Zungen mögen behaupten, dass ein Hirn-Scan dazu nicht der Weg sein könne, aber wieder weise ich darauf hin, dass für die wichtigsten Funktionen im Körper unter anderem die verlagerten Teile des Rückenmarks zuständig sind.

Wer seine Umwelt also mit Reflexen aus seinem motorischen Zetrum heraus bedient, der hat sicherlich wenig Zeit sich mit dem Großhirn zu reflektieren. Der kann nicht anders als mit voller Brust nach dem Recht auf Pyro zu skandieren, weil ihm die Sinnhaftigkeit einer still geführten Diskussion völlig abgeht.
Der würde ob der fehlenden Handgeiflichkeit die Parteien übersehen.


Dazu der Weltenrichter:  "Ein Recht auf Pyro"/ "The art of pyro" - what should that be?
Vereinstreue BIS IN DEN TOD!
Das interessiert mich nicht.


Lassen wir die Menschen mal aus ihrer schwachen Selbstdefinition heraustreten, so dass es einen lokalen Fussballklub braucht, der einige skandierbereite Menschen versammelt, um einem gemeinsamen Feind zu bearbeiten, zu hassen, Gefühle zu erzeugen.
Wie wahllos und synthetisch.

Gefühle, die im sonstigen Leben nicht von alleine zu Tage treten. Menschen, die sich nicht mehr dahin steuern können, Befriedigung auf höherer Ebene zu erreichen, weil sie Maslows Pyramide nie von der Seite, sondern immer nur von unten gesehen haben. Was bleibt den armen Seelen übrig? Es muss stumpf und gleichzeitig eingängig sein. Es muss Lieder haben und Symbole. Gefühle.

Nationalismus ist verpönt und es ist nicht mehr möglich sich z.B. „fasci di combattimento“oder ähnlichen paramilitärischen Strukturen anzuschließen. Es ist sogar verboten und das aus gutem Grund
oder weil diese Menschen diese Vereinigungen erst so stark gemacht haben?
Weil vielleicht diese Treue und der nötige Gehorsam gerne geschenkt wurden, wenn dafür nur bitte dieses "Gefühl", dieser Corpsgeist, das "Waaaagh!" erzeugt wird?
Diese Menschen, die dafür gelebt haben (gestorben sind), dieses Gefühl zu erhalten, aufrechtzuerhalten und dafür einzustehen (sic! wofür nochmal?) haben dies mit Sicherheit mit blinder Überzeugung und dem gleichen Irrsinn getan, der auch die Ultras stumpf, hirnlos und ignorant macht (selbsttragendes Konstrukt).

Ist es nicht ein besonderes Zeugnis, dass gerade in den friedlichen Zeiten, die Randale am stärksten von privat organisierten Individuen ausgeht?
Dieser Schlag von Menschen dreht seinen Motor gerade in dieser Zeit im Leerlauf (im Frieden) voll auf und ich kann verstehen, dass die Energien nicht ungenutzt bleiben wollen.
Wir haben keine Landkriege, politischen Feindbilder und versuchen den Hass abzubauen.
 Das aber war ihre größte Stärke, das ihr bestes Potenzial. Wohin damit? Wie bekommen wir diese Menschen dazu "sich selbst wieder zu fühlen"?





Ich würde mir das ansehen, im Stadion. Ja, ihr könnt mir glauben, ich würde mir Karten dafür kaufen, wenn ich dann ruhig und vielleicht mit einer Bratwurst und dem über den Arm geworfenen Mantel in der Tribüne sitze, zwischen den ganzen friedlichen Zuschauern, von denen sich keiner regt, während auf dem Spielfeld die Ultras von Dynamo Dresden, Lokomotive Bratislava und Arschtuber Heidelberg und hasstenichgesehn mit bloßen Fäusten, Pyro und Fahnen aufeinanderherfallen. Macht was ihr wollt - Fußball brauch eh keiner. Die Gruppe, die mit den meisten Fahnen am Ende übrig bleibt hat zwar nicht gewonnen, ist aber auch nicht tot. Brot und Spiele sind scheinbar nicht abzuschaffen, dann hören wir doch auf mit der beknackten Projektion und lassen "die Fachleute" dran. Wer will denn das blöde Gelaufe auf dem Rasen überhaupt sehen? Die ultraharten "Fans" sind dafür sowieso nicht gekommen:



Immer wieder wird Ultras vorgeworfen, dass es ihnen ums Selbstdarstellen geht, weniger um den Fußball. In Ihrem Heft liest man fast gar nichts darüber, was auf dem Rasen passiert. Spielernamen zum Beispiel tauchen praktisch nie auf.

“Die Szeneberichterstattung war schon immer so. Schon im ersten überregionalen Magazin, einer Hooligan-Zeitung namens Fan Treff, wurde eigentlich nur über die Krawalle berichtet. Und auch in den Fanzines zählte vor allem das Szenerelevante. Das ist bis heute so, länderübergreifend. Fußball ist immer außen vor. - kioskforscher

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