Mein Hobby: Arschlochinseln

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SunSete - Micael Reynaud

Geodeterminismus

Was bin ich froh, dass ich in West-Deutschland geboren und aufgewachsen bin. Ihr werdet lachen, wenn ich euch google-maps-scrollenden Handynutzern mitteile, dass mein geopolitsches Wissen auf  einer großen bunten Schreibtischunterlage, unterhalb meiner Grundschulhausaufgaben fußt, die neben dem kryptischen CCCP auch eine direkt angrenzende DDR auswies - oder wie meine Anverwandten zu sagen pflegten: Die Zone.
Auch nachdem an meinem neunten Geburtstag Gorbatschow als Präsident der UdSSR zurücktrat und die Amtsgeschäfte an Jelzin als Präsidenten der Russischen Föderation übergab, blieb meine Schreibtischunterlage  die selbe, die Existenz und Position von Litauen, Georgien, Estland, Lettland, Weißrussland, Ukraine, Moldawien, Kirgisistan, Usbekistan, Tadschikistan, Armenien, Aserbaidschan und Turkmenistan sowie Kasachstan zunächst völlig unbekannt und auch der Begriff der Zone blieb im Wortschatz meines Umfeldes aktiv, obwohl sich irgendwas am Grenzverlauf getan hatte. Mein Verständnis von Grenzen war aber nicht besodners kongruent mit meinem Wissen über die geschichtlichen Zusammenhänge. Ich war jedoch fasziniert davon, dass die Welt riesig sein musste und dass sie aufgeteilt wurde. Zudem Zeitpunkt hatte ich das so ähnlich visualisiert wie Die Grenzgemarkierungen zwischen Grundstücken, die mit einem breiten speziellen Nagel zur Straße hin als Endpunkt einer gedachten Linie realisiert werden.

Mich beeindruckt noch heute das weltumspannende Konzept von arbiträr gezogenen Grenzen, die Gebiete abteilen, in denen andere regeln gelten. Naja, werdet ihr sagen. 
"NAJA", und ein Bein affektiert auf das andere legen, und wenn wir die späten siebziger Jahre hätten, dann hättet ihr euch auch dazu eine Pfeife angesteckt und verhohlen gelacht. So bleibt es beim Übereinanderschlagen der Beine und dem verhohlenen Lachen, welches auf eure "naja"-Ellipse folgt.

Denn ganz so willkürlich sind die Grenzen ja letztendlich nicht. Willkürlich ist nur deren Lebensweise und diese grenzt sich dann von selbst zu anderen ab. Die unterschiedliche  Sozialisierung wurde von Jared Diamond in seinem Sachbuch Guns, Germs, and Steel: The Fates of Human Societies, New York, 1997 auf folgende Grundthese heruntergebrochen:


Der Autor entwickelt in dem Werk die umfassende Theorie eines geographischen Determinismus. Ausgangspunkt dabei ist die Frage, warum menschliche Gesellschaften, die vor rund 13.000 Jahren allesamt als Jäger und Sammler lebten, sich seitdem höchst unterschiedlich entwickelt haben. Es wird dabei betont, dass es keinesfalls überlegene und untergeordnete Rassen gebe, sondern einzig unterschiedliche Voraussetzungen bezüglich Geographie, Klima, Flora und Fauna der Erdteile die Entwicklungsunterschiede erklären. - wiki

Warum Jared Diamond für Der dritte Schimpanse: Evolution und Zukunft des Menschen von 1991 und Kollaps: Warum Gesellschaften überleben oder untergehen von 2005 nicht ebenfalls einen Pulitzerpreis absahnen konnte, ist mir schleiherhaft. Schon die Titel protzen vor Pulitzerdeterminismus.  Auch ob man seinen Begründungen durch Nachvollziehbarkeit Folge leisten kann, mag ich nicht zu beurteilen. Ich habe das Buch noch nicht gelesen. Aber es steht auf meiner Amazon-wishlist und ich habe bisher auch so meine eigenen Überlegungen zu der unterschiedlichen Produktivität auf der Landkarte der Erde geführt.




 Ressourcen, deren Verteilung und die Lust darauf

Man könnte nun beginnen und wie Jared Diamond sagen, das alles läge ledigleich an der Verteilung von Ressourcen und deren Erschöpfung durch die jeweiligen Gesellschaften. Ich werde dazu einige Punkte aus meinem Thesenschatz in die Runde werfen und ihr dürft abgleichen, ob ich mich maßlos verschätzt habe oder ob sich mein Weltverständnis anfühlt wie eine reife Zitrone.

Meine erste Theorie umfasst die Idee, dass die Ressourcen nur dann genutzt und optimal ausgeschöpft werden, wenn es notwendig ist. Besteht keine Knappheit, dann lässt sich daraus keine Notwendigkeit ableiten, auch keine vernünftige Vermarktung realisieren und darüberhinaus fehlt der Antrieb diese Rssource effizient zu erschöpfen.

Demgegenüber stellt Axelle Kabou das Unvermögen der Afrikaner zu langfristiger Wirtschaftsplanung, geprägt durch den jahrhundertelangen Sklavenhandel.
Max Weber betonte hingegen die Rolle der Religion, insbesondere des Protestantismus bei der Wirtschaftsentwicklung auch in klimatisch ungünstigen Regionen, etwa in Skandinavien. - wiki


Ja, denn als Haupteinfluss sehe ich da vor allem das Klima:
  • In einer Region, in der es ganztägig und ganzjährig warm bis eher zu heiß ist, sieht man davon ab produktivitätssteigernde Maßnahmen zu ergreifen, die einen vor dem verhungern und erfrieren in kalten Wintern retten sollen. Man brauch keine neuen Werkstoffe oder Isolationen erfinden, keine Motoren, die Arbeitskraft ersetzen sollen, man brauch sich auch gesellschaftlich nicht zu sehr anzustrengen, Arbeitsverhältnisse produktiver zu gestalten.

  • Wenn es sogar zu heiß ist, benötigt man auch nicht die Nahrungsreserven, um die Körperwärme stabil zu halten, sondern ist geneigt, sich durch Ruhephasen in der Mittagszeit zu schonen. Sind diese erweiterten Nahrungsreserven obsolet, wird auch weniger technologischer Fortschritt für diesen Zweck betrieben. Das Konservieren von Nahrung bekommt einen anderen Stellenwert, wenn die Nahrung sowieso ganzjährig zu Verfügung steht.

 Ich gehe sogar soweit mit meinen Annahmen, dass sich aus der Notwendigkeit entsprungenen Härte der natürlichen Umgebung, die alle dortigen Lebewesen jahrtausendelang immerschon bedrohlich gefährdete, eine Messlatte Messlatte für derlei verschiedenste Gesellschaftsformen formte.

Extreme Naturvölker zeigen die Härte und deren Anpassung, wie die Eskimos, die Tuareg oder die Hazda. 
Während „indigen“ eine politische Kategorie ist, bezieht sich Naturvolk auf das romantische Ideal des „edlen Wilden“, der in vollkommener Harmonie mit der Natur lebe (siehe dazu auch Naturzustand nach Rousseau). Dabei wird übersehen, dass auch „naturverbundene“ menschliche Gemeinschaften immer Kultur hervorbringen. So sind beispielsweise die tropischen Regenwälder und die Tundren des russischen Nordens Kulturlandschaften, die durch indigene Völker geprägt wurden und werden. Das behauptete ökologische Umweltbewusstsein und die vermutete soziale Harmonie „natürlicher“ und früher Gesellschaftsformationen werden seit Langem durch vielfältige ethnologische (völkerkundliche) Studien in Frage gestellt. - wiki

Die nächste Theorie mag sich mit Diamond decken, allerdings habe ich eine betstehnde Entsprechung gefunden, die ich als Referenz heranziehe:  Ganz übel für die Entwicklung einer Gesellschaft ist, wenn zu dieser fehlenden Notwendigkeit zur Entwicklung eine externe und einseitige Kraft hinzukommt. Wenn zudem letztgenannten eine spezielle geologische Ressource im Übermaß vorliegt kann es zum Ressourcenfluch kommen. 

Mit dem Begriff Ressourcenfluch  werden die verschiedenen negativen Folgen bezeichnet, die der Reichtum an natürlichen Ressourcen für ein Land und seine Bevölkerung haben kann, besonders das scheinbare Paradoxon, dass das Wirtschaftswachstum in Ländern, die viele mineralische und fossile Rohstoffe exportieren, in der Regel geringer ist als in rohstoffarmen Ländern. Der „Fluch“ sei dabei durch das Fehlverhalten der betreffenden Marktteilnehmer begründet. Daneben wird die Wirtschaft in Ländern mit Bürgerkriegen, hoher Korruption und bewaffneten Konflikten auf die lokalen Rohstoffe reduziert, was deren Rolle besonders hervorhebt. - wiki

Auch hier kann man eventuell berteits ableiten, dass eine Produktivitätssteigerung, ein Wirtschaftswachstum zugunsten betrieblicher und technologischer Mittel für die Masse nicht notwendig ist, weil man sich augenscheinlich auf die eine Ressource verlässt.


Und dann wäre ja noch das Thema Überbevölkerung

Komm jetzt, Henoth, werdet ihr sagen, Du als Menschenfreund und offener Metropolit hast da sicherlich deine eigene Meinung, die politisch nicht ganz korrekt ist.

Und ich als Fels in der menschlichen Brandung könnte jetzt auch sofort vom Leder ziehen und eurer Bosheit Lügen strafen, wenn ich über "den Knopf" berichten würde oder das, was ich mit "zehn Prozent von zehn Prozent - egal wer" meine. Aber das würde Eure doch sehr beengten Vorstellungen zunächst überbevölkern und daher bleiben wir erstmal mal bei der Erdkunde in diesem Knecht und ich zeige euch warum Notwendigkeit der Grund ist warum uns Überbevölkerte Regionen überholen werden oder in toto untergehen.




Ein Herr Malthus stellte 1798 die These auf, dass die Bevölkerungszahl exponentiell wachse, die Nahrungsmittelproduktion aber nur linear. Daher reduziere sich die Bevölkerung durch Seuchen und Verelendung wieder bis man wieder am Versorungsmaximum angelangt ist; ähnlich dem Prinzip von Eule zu Maus, Insekten zu Spinnen oder abstrahiert: der Populationsdynamik bei Räuber Beute-Beziehungen.  Damit wollte er auch Armut, Hunger, Krankheit, Slumbildung und die daraus sich ergebenden sozialen Unruhen in den englischen Großstädten seiner Zeit erklären. Allerdings dauerte es nicht lange und die Industralisierung machte aus der prognostioziertem Linaearität der Nahrungsmittelproduktion ganz schnell eine produktivitätsgesteigerte Größe, die ebenso stetig wachsen kann. Wir lernen aber nebenbei etwas viel wichtigeres:

Die erhöhte Effizienz der Produktivität geht im Wesentlichen auf drei Mechanismen zurück: 1. Arbeitsteilung und Massenproduktion, 2. Innovationen und 3. sozial institutionalisierte Regeln, welche die ersten beiden Punkte unterstützten. Diese Mechanismen werden durch eine anwachsende Bevölkerung erst ermöglicht und notwendig. - wiki

Fazit:
  1. Es entstand eine Notwendigkeit.
  2. Diese hat die Nachfrage nach Produktivitätssteigerung gehoben
  3. Dieses hat soziale und technologische Reformen bedingt

Gerne würde ich also einen Atlas herausbringen, der anstelle von eindimensionalen Messgrößen wie Analphabetismus, Geburtenrate, Säuglingssterblichkeit und Verbreitung von AIDS eine kongregierte Messgröße hervorhebt, nach einer arbiträr von mir eingeführten Skala. Ich hätte gerne eine kombinierte Erdkundekarte des Fortschritts gemessen an westlich-europäischen Entwicklung in Jahreszahlen n.Chr. So dass man eine Seite aufschlagen kann, auf die Karte sieht und feststellt, dass die Regionen  Ta'izz, Ibb, Abyan und Lahidsch im Jemen sich inzwischen auf dem Niveau von 800 n. Chr. befinden.
Diesen arbiträren Zeitvergleich könnte man auch auf die gesamte Zeit der Entwicklung der chinesischen Herrscherdynastien beziehen oder auf Mandarin übersetzen, wenn man meint, einen allzu arroganten Ton mit dieser eurozentrististischen Skala angeschlagen zu haben.





Mein Hobby: Arschlochinseln


Im Ton vergriffen hatte sich auch Sybille Lewitscharoff. Wissenschon, die mit dem BRF und die beim Wort "Onanieverbot" mit dem Stock nicht sofort vom Rednerpult wieder in die Kulisse gezogen wurde ("Der Veranstalter reagierte sofort"). In Dein Fremdschämen ist ungewollt meine Stand-Up Comedy hatte ich ja bereits den Schluß gezogen dass es keinen Grund gäbe, um über den Sachinhalt von Sybilles Aussagen tatsächlich ein Wort zu verlieren und stattdessen aufgefordert die vordergründige Clownsshow zu belachen, die sich während ihrer Feilbietung automatisch ergibt.

Jedoch Judith Schalansky, wohle selber onaniererende Lesbe und Mutter, fühlte sich direkt angegriffen, nicht nur von der Einschränkung ihrer Handlungsmoral, sonder auch scheinbar tief beleidigt. Sie schrieb einen Gastbeitrag in der sueddeutschen und damit machte sich mit die attraktive Autorin interessanter Werke mit der Replik auf Lewitscharoff etwas Luft:
Der Abscheu, so gibt sie selber zu, übersteige in diesem Punkt ihre Vernunft. Genau die vernunftslose Verachtung ist der Ursprung für Hass auf alles Andere und Abweichende,[...]. - Schalansky über Lewitscharoff in sueddeutsche.de

Die allgemeine Zeitung sprach sogar von einem Schockzustand, indem sich Schalansky befunden haben soll. Sicherlich hat sie sich blenden lassen von äußeren Umständen, nur so kann ich es mir erklären, warum sie auf die sinnentleerten Fabulationen Lewitscharoffs wirklich Stellung nehmen wollte. Denn wenn man ihre sehr abstrakte und kurze Stellungnahme mit meinem Lieblingsbuch von ihr gegeneinander hält, kann leicht der Eindruck entstehen, dass sie eher ein scharfes Feuer schüren wollte - wie einen Kampfschrei Lewitscharoff und ihrer Homophobie entgegen.




Wer aber die Abweichungen ausgrenzt, wird der Vielfalt der Schöpfung nicht gerecht.
- Schalansky über Lewitscharoff in sueddeutsche.de

Das steht konträr zu ihrem pyramdialen Buch, ein Atlas - Fünfzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde. Welches klar ausgrenzt und festlegt, was Freiheit innehat und warum manche Inseln einfach scheiße sind.

Es sind ja keine heilsbringenden Orte, und für die Literatur ist es ohnehin besser, man bleibt zu Hause und schlägt den Atlas auf. - zeit.de

Es ist ein bischen als ob sie damit bei mir offene Türen einrennt. Nicht dass ich etwa emotionale Ressentiments gegen weiße Südseestrände hege wie Schalansky ihren bitchfight mit Lewitscharoff pflegt - Eher ist es so, dass ich aus der geodeterminstischen Sichtweise auf die dortigen Inselkulturen schaue und nicht umhinkomme, deren clowneske Parade um die Insel milde zu belächeln.

Als mir aufgefallen ist, dass Freiheit auf einer Insel bedeutet, dass man macht was man will nicht bedeutet, dass man alles machen kann - oder wie Schalansky es formuliert

Unsere Idee von Freiheit hat mit dem Festland zu tun. Wenn nur dreimal im Jahr das Schiff kommt, gibt es keine Freiheit. - zeit.de
Diese Kulturen, die sich also an der Grenze ihrer Möglichkeiten bewegen (Notwendigkeiten), haben letztlich interessante Geschichten (Fails) in ihrer Historie. Irgendwann fing ich an diese zu sammeln.
Mein Hobby wurde das sammeln von Arschlochinseln.

Die Kritereien für Arschlochstaaten, wie im aktuellen Beispiel Tadschikistan (interessant in Verbindung dazu auch dieser Hinweis vom Auswärtigen Amt), sind uns ja bereits hinlänglich bekannt (Korruption, Kleptokratie, Gottesstaat, etc.), aber wenn man nach den Arschlochinseln sucht, dann kann man im Ozean hier und da tatsächlich noch einen guten Lacher finden. Bitter macht lustig. Jetzt werdet ihr, ob der hinterlistig eingefügten lakonischen Floskel natürlich aufschreien und fragen, warum ich mich denn so menschenverachtend darstellen würde, ja nahezu onanieverbotierend den armen Kreaturen gegenüber auf ihrem Atoll, dass langsam im Meer verschwindet. Und ich könnte auch plötzlich still werden und vor euren dauernd geschlossenen moralischen Bahnschranken warten bis der Zug für das Thema abgefahren ist.

Aber stattdessen werde ich im Gasknecht eine neue Reihe eröffnen und jede Woche eine neue Arschlochinsel vorstellen. Am Ende können wir uns dann nochmal zusammen überlegen, ob eine Replik auf mein Hobby in der sueddeutsschen veröffentlich werden sollte oder ob euer Gezeter nicht eher aus der Ursache eures geodeterministischen Schams rührt.


"Es ist nicht trauriger, wenn wir alle zugleich sterben, als wenn wir alle nacheinander sterben." - Rudolf Burger





UPDATE: Zum Thema Fernweh habe ich mich Sabines ferngehweht-Blogparade angeschlossen. Schaut mal rein, ob ihr dort ein paar Inseln der Freude findet!

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